Definition

Sexuelle Gewalt ist eine sexuelle Handlung einer/eines Erwachsenen oder Jugendlichen mit einer/einem Jugendlichen oder Kind. Die Betroffenen können dieser Handlung aufgrund ihrer intellektuellen und emotionalen Entwicklung nicht frei und informiert zustimmen. Die/der Erwachsene nutzt einen Vorsprung an Wissen und Macht aus, sie/er überredet das Kind, die/den Jugendliche/n zur Kooperation. Häufig gibt es dabei die Verpflichtung zur Geheimhaltung, die das Kind zur Sprachlosigkeit, Wehrlosigkeit und Hilflosigkeit verurteilt.

Verdacht

  1. Schau hin und nimm Deine Gefühle ernst! Beobachte und notiere mit Datum, was Du siehst oder gesehen hast. Unternimm keine eigenständigen Schritte und handle nicht voreilig. Falsche Schritte können großen Schaden anrichten.
  2. Sprich nicht mit dem Kind und nicht mit der möglichen Täterin oder dem Täter darüber. Es besteht auch aus strafrechtlichen Erwägungen keine Eile.
  3. Sprich zunächst auch nicht im Kreis Deiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darüber. Gespräche über vermutete sexuelle Gewalt können zu Reaktionen führen, die nicht mehr kontrollierbar sind. Suche Dir eine kompetente Vertrauensperson.

Juristische Aspekte

Die Sexualität des Menschen, auch von Kindern und Jugendlichen, ist wesentlicher Bestandteil der Menschenwürde (Art. 1 GG) und wird durch das Persönlichkeitsrecht und die allgemeine Handlungsfreiheit in ihrer Wahrnehmung geschützt (Art. 2 Abs. 1 GG). Dieser Schutz drückt sich insbesondere auch dadurch aus, dass niemand gegen seinen Willen zu geschlechtlichen Handlungen gezwungen werden darf. Insbesondere Kinder und Jugendliche sind aufgrund ihrer altersmäßigen Entwicklung, aber auch aufgrund der sozialen Abhängigkeit von bestimmten Personen, besonders schutzlos und bedürfen eines besonderen Schutzes. Neben dem Sexualstrafrecht, das bestimmte Handlungen gegenüber oder mit Kindern unter Strafe stellt, hat der Gesetzgeber darüber hinaus Möglichkeiten geschaffen, bei sexuellem Missbrauch zum Wohle des Kindes schnell reagieren und handeln zu können.

Wann genau eine (strafbare) sexuelle Handlung vorliegt,  kann auch der Gesetzgeber nicht genau klären. Daher heißt es in § 184 f StGB sehr abstrakt:

§ 184 f StGB Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Gesetzes sind

  1. sexuelle Handlungen nur solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind,
  2. sexuelle Handlungen vor einem anderen nur solche, die vor einem anderen vorgenommen werden, der den Vorgang wahrnimmt.

Durch die Rechtsprechung wird diese Beschreibung zunehmend konkretisiert. So muss nach dem Bundesgerichtshof (BGH) die Sexualbezogenheit einer Handlung objektiv erkennbar sein (BGH NJW 92, 326; NStZ 85, 24; 83, 167), d.h. sie muss von außen als sexuelle Handlung erkennbar sein. Dies sind vor allem z. B. Küssen, Anfassen an der Brust oder den Geschlechtsorganen, Entkleidungsversuch u. ä. Dabei kommt es nicht darauf an, was der Täter dabei empfindet oder erreichen will. Wird also eine Handlung als eine sexuelle Handlung von Dritten wahrgenommen, kann sich der Täter nicht damit herausreden, dass er sich selbst dabei nichts gedacht habe!

a. Grundsatz

Die grundsätzliche Regelung für die Strafbarkeit von sexuellen Handlungen befindet sich in § 177 StGB:
(1) Wer eine andere Person

  1. mit Gewalt,
  2. durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder
  3. unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist, nötigt, sexuelle Handlungen des Täters oder eines Dritten an sich zu dulden oder an dem Täter oder einem Dritten vorzunehmen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

  1. der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder an sich von ihm vornehmen läßt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere, wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
  2. die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

Maßgeblich kommt es darauf an, dass die Handlung gegen den Willen des Opfers erfolgt. Der Täter muss dem Opfer seinen Willen durch Gewalt, Drohung oder dem Ausnutzen einer hilflosen Lage aufzwingen. Opfer als auch Täter kann also jeder sein, unabhängig von Alter oder Geschlecht.

b. Minderjährige

Der Gesetzgeber macht die Strafbarkeit für sexuellen Missbrauch vom Alter des Kindes oder des Jugendlichen abhängig. So ist die sexuelle Betätigung unter der Schutzaltersgrenze von 14 Jahren generell verboten:

§ 176 StGB Sexueller Missbrauch von Kindern

(1) Wer sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einem Dritten vornimmt oder von einem Dritten an sich vornehmen lässt.

Außerdem wird bestraft (Abs. 4), wer

  • sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt.
  • darauf einwirkt, dass ein Kind sexuelle Handlungen an sich vornimmt.
  • durch Schriften darauf einwirkt, dass das Kind sexuelle Handlungen an sich vornimmt oder vornehmen lässt.
  • mittels pornographischer Abbildungen, Abspielen von Tonträgern oder entsprechenden Reden auf das Kind einwirkt.

Jede sexuelle Betätigung mit oder durch ein Kind unter 14 Jahren ist daher grundsätzlich unter Strafe gestellt. Darüber hinaus liegt ein besonders schwerer Fall des sexuellen Missbrauchs an Kindern gem. § 176a Abs. 2StGB vor (Freiheitsstrafe mindestens 2 Jahre), wenn

  • der Täter über 18 Jahre ist und mit dem Kind den Beischlaf vollzieht bzw. Handlungen vornimmt oder vornehmen lässt, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind.
  • die Tat von mehreren Tätern gemeinschaftlich begangen wird.
  • der Täter das Kind durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung oder einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt.

Ab einem Alter von 14 Jahren wird die sexuelle Betätigung nicht mehr generell unter Strafe gestellt, sondern von weiteren Merkmalen abhängig gemacht. Maßgeblich für die Strafbarkeit ist gem. § 174 StGB ein Obhut- oder Abhängigkeitsverhältnis bzw. dessen Missbrauch, da gerade dieses den Schutz des Jugendlichen gewährleisten soll. Dies kann z. B. ein Arbeitsverhältnis sein, aber ebenso auch das Verhältnis zwischen Pfadfindergruppenleiter/in und Pfadfinder/in.

Generell gilt also:

  • Mit Kindern unter 14 Jahren ist jeglicher sexueller Kontakt unter Strafe gestellt.
  • Mit Jugendlichen zwischen 14 und 16 Jahren ist sexueller Kontakt unter Strafe gestellt, sofern ein Obhutsverhältnis vorliegt.
  • Bei Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren ist sexueller Kontakt unter Strafe gestellt, sofern ein Obhuts- oder Abhängigkeitsverhältnis vorliegt und missbraucht wird.
  • Darüber hinaus immer, wenn der sexuelle Kontakt gegen den Willen des Opfers erfolgt.

Je nach Einschätzung der Gefährdungslage sollte bei konkretem Missbrauchsverdacht oder konkreter Missbrauchskenntnis entweder das Jugendamt und / oder die Polizei benachrichtigt werden. Bei dringenden und lebensgefährlichen Situationen ist jedoch immer die Polizei einzuschalten, weil nur sie das Kind ggf. mit Gewalt aus dem (häuslichen) Umfeld herausholen kann. Darüber hinaus sollte in Zweifelsfällen der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) bzw. das Jugendamt informiert werden und die dort vorhandenen Beratungsangebote genutzt werden. Dies geht teilweise anonym, häufig gibt es örtliche Kontaktrufnummern, Sorgentelefone etc. In den Jugendämtern befassen sich Fachkräfte mit diesen Informationen und müssen diesen gem. § 8a SGB VIII nachgehen. Im Gegensatz zu manchem reißerischen Medienbericht arbeiten in den Jugendämtern und dem ASD regelmäßig engagierte und kompetente Mitarbeiter, die auch gerne beratend tätig werden. Weiter sind freie Jugendhilfeträger wie z. B. der Deutsche Kinderschutzbund oder das Kinderschutzzentrum kompetente Ansprechpartner, die beratend sowohl den Kindern und Jugendlichen als auch den Helfern zur Verfügung stehen. Für Kinder und Jugendliche, aber auch für Eltern sind anonyme Beratungsstellen eingerichtet worden, bei denen sich Kinder informieren können und Hilfestellung erhalten. Hinweise oder Kenntnisse von möglichem Missbrauch nicht ernst zu nehmen oder aus anderen Gründen nicht weiter zu verfolgen, kann ebenfalls strafbar sein. Darüber hinaus muss es Pastoren, Jugend- und Pfadfinderleitern, Erziehern in Kindergärten, ehrenamtlichen Mitarbeitern von kirchlichen Einrichtungen, aber ebenso jedem Gemeindeglied ein Anliegen sein, Kindern und Jugendlichen jeden erdenklichen Schutz zu bieten.